Der Arzt sagt einfach nur „null“ und lachte

Hallo zusammen, nach langen Überlegungen habe ich mich dazu entschlossen Euch und allen anderen meine Geschichte zu erzählen.

Wie alles begann …

Meine Freundin (nun Ehefrau) und ich beschlossen nach ca. 5 Monaten die Pille abzusetzen. Warum? Wir waren glücklich, wollten eine Familie gründen und wieso sollten wir warten. Nur weil wir noch keine 20 Jahre zusammen sind? Man hat heutzutage für nix eine Garantie und somit hörten wir auf unser Herz. Gesagt getan, im März nahm meine Freundin die letzte Pille. Wir übten fleißig aber versuchten uns gleichzeitig nicht unter Druck zu setzen.

Monate vergingen und meine Freundin bekam immer mehr das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ich muss erwähnen das ich mitbekam, dass meine Schwester Probleme beim Kinderwunsch hatte, aber genaueres wurde mir von meiner Familie nicht mitgeteilt. Wir versuchten Fruchtbarkeits- aber auch Schwangerschaftstest kamen zum Einsatz, da einige Male die Periode meiner Freundin ausblieb. Das alles resultierte jedoch auf Grund von Stress oder Urlaub. Letztendlich beschlossen wir beide zum Arzt zu gehen, um uns untersuchen zu lassen. Mein Urologe verwies mich zum Andrologen, damit ein Spermiogramm und eine Untersuchung per Ultraschall vorgenommen wird. Ich bekam einen Becher und gab meine Probe ab. Auch die Untersuchung per Ultraschall wurde vorgenommen. Zur Besprechung ging ich mit meiner Frau hin – sie wollte mir den Rücken stärken, so wie sie es immer tat. Wir wurden in ein Kämmerchen gebeten, da alle Räumlichkeiten besetzt waren.

Als der Arzt kam, blieb die Welt für einen Moment lang stehen, als wenn einem der Atem vor Kälte stockte. Der Arzt sagte einfach nur „null” und lachte. Ohne Antworten, lediglich mit dem Verweis auf einen neuen Termin zur Abgabe einer Probe gingen wir nach Hause. Dort angekommen, ging ich spazieren und verstand die Welt nicht mehr. Wieso ich? Die Worte des Arztes schwirrten durch meinen Kopf. Ich sagte meiner Freundin, sie solle sich einen anderen Partner suchen und glücklich werden. Für sie war selbstverständlich, dass ich der richtige Mann für sie bin und wir einen gemeinsamen Weg finden und gehen werden. Auch das erneute Spermiogramm ergab kein positives Ergebnis und somit gingen wir zur Kinderwunschklinik. Auch dort ergab das Spermiogramm das Resultat, dass keine Spermien nachgewiesen werden konnten. Nach zahlreichen Gesprächen gingen wir auf Rat der Ärztin zum Genetiker, der dann herausfand, dass ein Gendefekt vorlag – das Klinfelter-Syndrom.

Wir waren am Boden zerstört und fuhren nach Polen in den Urlaub. Auch dort führten meine Freundin und ich zahlreiche Gespräche. Für uns war klar, dass wir ein Kind wollen und somit kam die Befruchtung durch Fremdsperma für uns in Frage. Nach dem Urlaub suchten wir das Gespräch in der Klinik. Es wurde alles in die Wege geleitet, Notartermin, Kauf- und Auswahl der Spermien. Unerwähnt dürfen auch nicht die zahlreichen Untersuchungen meiner Frau bleiben. Sie musste ständig die Hosen runter lassen und eine schmerzhafte Eileiteruntersuchung über sich ergehen lassen. Sie war kerngesund und der Eingriff musste unterbrochen werden, da der Arzt ihr mitteilte, wie fruchtbar sie sei.

Aber auch das hinderte meine Freundin nicht, an meiner Seite zu bleiben. Der Eingriff lies lange auf sich warten, aber der besagte Tag folgte. Meine Freundin saß in der Klinik und ihr Zyklus war zu weit fortgeschritten um eine hormonell Unterstützung in Betracht zu ziehen, aber wir versuchten es einfach nach dem Motto – auf gut Glück. Die Insemination wurde vorgenommen, eine lange Spritze mit den gekauften Spermien wurde eingeflößt. Nun war warten angesagt und meine Frau ging nach zwei Wochen zur Blutuntersuchung, die ein positives Ergebnis ergab, jedoch ein zu niedrigen Wert. Das zog sich alles drei Wochen hin, da es zuerst hieß, es würde einen Abgang geben, dann gab es die Vermutung einer Eileiterschwangerschaft und zuletzt stand fest, es handele sich um ein Windei.
Zur Erklärung – ein Windei ist eine leere Fruchthöhle ohne Bildung eines Embryos. Ich muss hinzufügen, dass diese Art der künstlichen Befruchtung die harmloseste ist und die Chance beim ersten Versuch schwanger zu werden liegt bei 0,5 Prozent. Weihnachten stand vor der Tür und die Ärztin teilte uns mit, dass wir einen kurzfristigen Termin zur Ausschabung bekämen. Ich werde den Tag des Termins nie vergessen. Es war ein Montag, der 23.12.2019 und im Ultraschall war ein Embryo mit Herzschlag zu sehen und ein neuer Lebensabschnitt begann.

Unser Sohn Maximilian kam am 4.8.2020 auf die Welt. Ich werde nie seinen ersten Schrei und auch den Schnitt der Nabelschnur vergessen. – Zu Hause angekommen fand sich der Alltag allmählich und wir genossen die Zeit zu dritt – oder eher zu viert mit unserem Hund Rocky. Ich versuchte väterliche Gefühle aufzubringen, aber konnte es einfach nicht. Ich versuchte dieses ständige Gefühl, welches in mir hoch kam zu verdrängen und mir nichts anmerken zu lassen.

Mit meiner Frau konnte ich einfach über meine Diagnose nicht sprechen, warum kann ich mir bis heute nicht erklären. Ich ging in den drei Jahren nach Bekanntgabe der Diagnose nur einmal zur Urologie in Bezug auf die Dosierung des Testosterons, welches ich mein Leben lang nehmen müsse. Nachdem die erste Packung der Dosierung aufgebracht war, war ich unerträglicher denn je und weiterhin zum Arzt ging ich nicht. Meine Frau suchte ständig – allmählich – verzweifelt das Gespräch mit mir. Sie riet mir zum Arzt zu gehen, gab mir Tipps in Bezug auf eure Selbsthilfegruppe um einen Austausch zu suchen. Auch einen Psychologen schlug sie mir vor aber ich belächelte sie ständig, obwohl sie nur etwas Gutes für mich wollte.

Martin