Stigmatisierung von Jungen mit Klinefelter-Syndrom in der Schule

Stigmatisierung bezeichnet einen Prozess, in dessen Verlauf innerhalb einer Gruppe bestimmte Merkmale von Personen zum Beispiel eine Behinderung mit negativen Bewertungen belegt und die Betroffenen in eine Randgruppenposition gedrängt werden.

Stigmatisierte werden somit primär über negative Merkmale wahrgenommen, andere positive Merkmale können dieses Stigma nicht kompensieren. Das bedeutet, dass das Umfeld eines Kindes ihm eine bestimmte Rolle oder Position zum Beispiel im Klassenverband zuschreibt. Dem Kind werden dabei ganz bestimmte Verhaltensweisen zugeordnet. Selbst wenn das Kind diese Auffälligkeiten nicht mehr zeigt, behält es seinen „Stempel“. Hervorgerufen werden kann dieses Phänomen besonders durch sogenannte Modediagnosen wie AD(H) S oder Hochbegabung. Wir empfehlen mit solchen Begriffen vorsichtig umzugehen. Nur ein Psychologe kann nach eingehenden Tests eine Diagnose stellen. Ratsam ist es in jedem Fall, als Elternteil nach der Einschulung möglichst entspannt mit der neuen Situation umzugehen. Lernen Sie die Lehrerin/Lehrer kennen und entscheiden Sie dann.

Leon wird eingeschult – Der Klinefelter-Junge Leon wird dieses Jahr eingeschult. Im Kindergarten zeigte er häufig große Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen, reagierte bei Konflikten impulsiv und aggressiv. Obwohl er dieses Verhalten bereits ablegen konnte, ist er häufig sehr unruhig und könne sich nur kurz konzentrieren. Es könnte nun passieren, dass die Lehrerin nach dem Gespräch mit der Mutter über seine Vorgeschichte beginnt, Leon zu stigmatisieren. Sie achtet nun ganz genau auf sein Verhalten. Kann er sich zu Beginn der Schulzeit nur schwer ruhig auf den Stuhl halten, ist das für die Lehrerin bereits die erste Bestätigung. Treten dann Konflikte auf, in denen Leon verwickelt ist, könnte die Lehrerin ihn genau die negativen Eigenschaften fest zugeschrieben haben, die die Mutter beschrieben hat. Leon bekommt von ihr die Rolle des Unruhestifters zugeschrieben.

Es könnte jedoch auch ganz anders kommen. Die Mutter erzählt der Lehrerin von seinen Schwierigkeiten. Daraufhin wählt die Lehrerin ganz gezielt einen reizarmen Sitzplatz aus. Leons Tischpartner wird ein ruhigerer Junge, der positiv auf Leon einwirkt. Bei Konflikten kann die Lehrerin Leon zu Beginn noch unterstützen, bis er sich selbst gut in den Klassenverband eingefügt hat. Erzählt Frau S. der Lehrerin nicht von der Vorgeschichte, kann es genauso gut sein, dass sich Leon schnell in der Schulsituation zurecht findet. Dass er viel Spaß dabei empfindet und die Konzentrationsschwierigkeiten gar nicht erst auftreten.